Ich habe da, wo mein Herz spricht,

nicht das Bedürfnis, zu einem Engel zu sprechen,

im Gegenteil, mich bedrücken Vollkommenheiten,

vielleicht weil ich nicht an sie glaube;

Mängel, die ich menschlich begreife, sind mir sympathisch

auch dann noch, wenn ich unter ihnen leide.

Theodor Fontane

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28. Oktober 2003

Lieber Roby,

Gestern haben wir Geoffreys 22. Geburtstag gefeiert. Zum zweiten Mal ohne dich. Es war einfacher als letztes Jahr. Fast normal. Ich habe auch nicht mehr so darauf gewartet, dass irgendetwas Besonderes passiert, irgendwas woran ich festmachen könnte, dass du bei uns bist und auch an den Geburtstag deines Bruders denkst.

Aber sonst ist nichts besser.

Ich habe Monate in einem Trancezustand zugebracht. Monate in denen mich nichts berührt und nichts interessiert hat. Ich habe mit dir geredet, fast ständig. In Gedanken, wenn ich in Gesellschaft war, laut, wenn wir alleine waren. Ich habe Musik gehört, die ich mit dir verband, dein Hemd getragen und deine Sachen immer wieder sortiert und umgeräumt ohne sie je irgendwo zu verstauen. Einfach nur von einem Karton in den anderen. Ich habe mit niemandem über dich geredet und auch keine zusätzlichen Bilder von dir aufgehängt. Aber deine kleine Ente steht auf meinem Nachttisch und um mich herum habe ich überall mit künstlichen Sonnenblumen dekoriert. Ich weiß, dass du Sonnenblumen mochtest. Ich habe mir jetzt auch eine Orchidee gekauft. Deine waren damals vertrocknet, bevor ich das Herz hatte mich darum zu kümmern. Also habe ich jetzt eine gelbe und hoffe, dass sie dir gefällt.

Auf eine schwer zu erklärende Art waren diese vergangenen Monate fast angenehm. Ich habe dich sehr intensiv gespürt, du warst mir so unbeschreiblich nah.

Aber jetzt vor ein paar Wochen, Anfang September irgendwann, hatte ich das Gefühl oder den Traum, ich weiß nicht mehr, dass du dich von mir verabschiedest. Ich bin jetzt nicht mehr in Trance, ich bin hellwach, sehe und fühle wieder. Und was ich fühle ist blankes Entsetzen.

Nein, es ist nicht besser geworden sondern schlimmer.

Irgendwann mal war ich auch wütend und hätte dir am liebsten eine geknallt. Aber ich bin dir nicht böse. Wirklich nicht. Du bist nicht schuld daran, dass es mir schlecht geht. Sieh meinen Schmerz einfach als Liebesbeweis, und ich meinerseits werde alles versuchen um den Schmerz zu besiegen und dir nur noch Liebe zu senden.

Wenn ich wenigstens wüsste, dass es dir jetzt gut geht. Ich wünsche mir so sehr, dass du jetzt warm und geborgen bist. Du fehlst mir unendlich. Ich hoffe du weißt wie viel du mir bedeutest. So viel, dass ich es gar nicht beschreiben kann. Du warst immer jemand ganz Besonderes. Keiner deiner Brüder hat mich je so sehr gefordert, erstaunt, enttäuscht und immer wieder überrascht wie du.

Ich liebe dich mein Schatz

Bis bald

Mama

 

 

Hier ist ein indianisches Gebet für dich und für uns alle. Es spiegelt die Worte deines Abschiedsbriefes wieder. Du wolltest, dass wir deinen Abschied so aufnehmen wie es auch in diesem Gebet ausgedrückt wird. Am Anfang gelang mir das auch recht gut. Heute kann ich es nur noch an den weniger schwarzen Tagen und die werden leider immer seltener. Aber an dein Grab gehe ich nicht um zu weinen. Ich fühle dich nicht dort. Ich fühle dich hier. In tausend kleinen Dingen. 

 

 

« An die, die ich liebe...

und die, die mich lieben »

 

Wenn ich nicht mehr da bin, 

dann lasst mich los,

Lasst mich gehn,

Ich habe so viele Dinge zu tun und zu sehn

 

Weint nicht wenn ihr an mich denkt,

Seid dankbar für die schönen Jahre,

Ich gab euch meine Freundschaft,

Ihr könnt nur erahnen

Welches Glück ihr mir gegeben habt.

Ich danke euch für die Liebe 

die ihr mir jeder erwiesen habt

 

Jetzt ist es Zeit allein zu reisen.

Während einiger Zeit werdet ihr leiden.

Die Zuversicht wird euch stärken 

und euch Trost bringen.

 

Wir werden für einige Zeit getrennt sein.

Lasst es zu, dass gute Erinnerungen 

euren Schmerz lindern,

Ich bin nicht weit und das Leben geht weiter..

 

Wenn ihr es braucht, 

dann ruft mich und ich werde kommen,

Auch wenn ihr mich nicht sehen 

oder berühren könnt, ich werde da sein,

Und wenn Ihr in eure Herzen lauscht, 

werdet ihr sie deutlich fühlen

Die Süße der Liebe, die ich euch bringe.

 

Und wenn es Zeit ist für euch zu gehen,

Werde ich da sein um euch willkommen zu heißen.

Bar meines Körpers, gegenwärtig mit Gott.

 

Geht nicht an mein Grab um zu weinen,

Ich bin nicht da, ich schlafe nicht,

 

Ich bin tausend Winde die wehen,

Ich bin das Funkeln der Schneekristalle 

Ich bin das leuchtende Gold der Weizenfelder,

Ich bin der sanfte Regen im Herbst,

Ich bin das Erwachen der Vögel in der Morgenstille,

Ich bin der Stern, der in der Nacht erstrahlt,

 

Geht nicht an mein Grab um zu weinen,

Ich bin nicht da,

Ich bin nicht tot.

 


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6. November 2003

Lieber Roby,

Du fehlst mir so sehr. Ich hatte doch noch so viele Pläne mit dir. Ich wollte den Hund streicheln, den du dir einmal anschaffen wolltest, ich wollte deine Kinder verwöhnen, das Haus bewundern, das du dir hättest bauen lassen................... Wir hatten doch auch noch so viel nachzuholen. Wir waren doch auch noch gar nicht von einander abgenabelt. Und am schlimmsten: Du hast mir alle Möglichkeiten genommen Schuld abzutragen.

Du hast einfach einen Punkt gemacht, und ich hatte meinen Satz doch gerade erst begonnen. Jetzt kann ich ihn nicht zu Ende sprechen, die Geschichte unseres Lebens nicht zu Ende schreiben. Es ist doch die Geschichte von dir und mir. Alles hat doch mit dir angefangen. Du bist so früh gekommen. Ganz egal wo du warst und was uns trennte, du warst immer da.

Es ist doch unsere Geschichte, Roby. Wie soll ich sie ohne dich weiterleben,?

Du warst nie wirklich mein Sohn. Dafür war ich viel zu jung. Du warst einfach ein fester Bestandteil meines Lebens. Du warst ein Teil von mir. Der autonome und rebellische Teil von mir, der lebendige und aktive Teil von mir, der intelligente und strebsame Teil von mir. Die Idee ich könnte dich verlieren ist mir einfach nie gekommen. Das wäre ja so als mache man sich Gedanken darüber ob man seine Hand verliert oder sein Bein. Natürlich kann so was passieren, aber darüber nachzudenken ist absurd.

Für einen gesunden Menschen ist es das Normalste von der Welt Arme und Beine zu haben. Für mich war es einfach normal dich zu haben.

Ich habe monatelang neben Geoffreys Bettchen geschlafen, weil er öfter aufhörte zu atmen. Ich hatte Angst ihn zu verlieren. Er war und ist mein Sohn.

Ich hatte Angst Bayu zu verlieren, an seinen Vater, als es nach einer Trennung aussah. Ich hatte Angst ihn zu verlieren. Er war und ist mein Sohn.

Ich hatte niemals Angst dich zu verlieren. Du warst doch einfach ich.

Ich brauche deine Gegenwart um selbst ein Ganzes zu sein. Ich brauche deinen Zuspruch um lachen zu können, deinen Widerspruch um denken zu können, deine Präsenz um selbst zu existieren.

......................jetzt bist du der Teil von mir der voraus gegangen ist. Ich wünsche mir so sehr, dass du meine grenzenlose Liebe spürst.

Bis bald

Mama

 

 

Oma hat dir mal zu einem Geburtstag ein Lied geschenkt: "Flieg kleiner Adler" oder so ähnlich hieß es wohl. Daran musste ich denken als ich den folgenden Spruch las:

Wenn zwei Falken auf einem Baum sitzen und ein Schwarm Wildenten fliegt vorbei, dann sagt auch nicht ein Falke zum anderen:

”Schau da fliegt die Mehrheit, das muss der richtige Weg sein, schließen wir uns an.”

Sie werden weiterhin als Falken dem Weg der Falken folgen.

(Ph.Deere, Indianerschulen)

Jetzt bist du geflogen, mein Junge, aber so anders als sie es sich gewünscht hätte. Vielleicht werde ich ihr eines Tages diese Seiten zeigen, sie würde bestimmt auch gerne etwas dazu beitragen. Und Opa erst! Aber ich wage es noch nicht. Ich kann sie noch nicht wieder weinen sehen.

 

Ja jetzt bist du geflogen. Auf deine ureigene Art und Weise.

Du bist du selbst geblieben bis zum Schluss und so bist du auch gegangen.

25. Januar 2004

Mein Gott, schon 2004! Eigentlich ist es doch schon so lange her. Eigentlich hättest du uns an Sylvester das Feuerwerk entzünden sollen, aber du warst nicht da. Ich kann nicht leben ohne dich Roby. Heute ist wieder so ein schrecklicher Tag. Heute morgen habe ich mich noch darum bemüht in eine Internet-Therapiegruppe aufgenommen zu werden. Jetzt ist es Abend und ich habe eigentlich schon gar keine Lust mehr dazu. Ich will überhaupt nicht verarbeiten, vergessen, weiterleben. Ich will dich wieder haben, sonst gar nichts. Ich will nur dich wieder haben.

Oh Roby, warum hast du das gemacht? 

Du wusstest doch wie sehr ich dich liebe. Du wusstest, dass nichts mich würde trösten können, denn so ähnlich hast du es in deinem Abschiedsbrief geschrieben. Hätte ich es früher spüren müssen? Hätte ich dich finden müssen bevor es zu spät war? Hast du darauf gehofft?

Wenn ich nicht eher nachgesehen habe, dann nicht weil du mir weniger bedeutest als irgendetwas oder -jemand anderes, sondern nur weil ich so wahnsinnig harmoniesüchtig bin. Ich vermeide alles was Aufregung verbreitet oder irgendjemanden gegen irgendjemanden aufbringen könnte. Und damit mache ich alles kaputt.

Ich habe mich auch immer noch nicht geändert. Es ist mir so wichtig, dass jeder jeden mag, sowohl zu Hause als auch auf der Arbeit, dass ich versuche alle Unstimmigkeiten aufzusaugen wie ein Schwamm. Ich weiß selbst, dass das gar nicht möglich ist, aber ich bin eben so. Statt zu agieren, zu intervenieren und ein kleines Stückchen Welt zum Besseren zu ändern, laufe ich Slalom zwischen den Konflikten, scheue jede Konfrontation und denke ich nehme dem Bösen die Spitze wenn ich es bagatellisiere.

Und daran bist du gestorben. Ich habe bagatellisiert, heruntergespielt und abgewartet. Hauptsache um mich herum SCHIEN alles in bester Ordnung. Ich hasse mich dafür.

Und ich liebe dich und vermisse dich so sehr. Wie soll das alles weitergeh'n?

 

31. Januar 2004

Hallo Roby,

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass der letzte Brief an dich erst 6 Tage zurück liegt. Heute geht es mir gut. Körperlich noch nicht, aber wen interessiert das schon, seelisch.... seelisch geht es mir seit Tagen gut. Der letzte Brief an dich hatte etwas sehr Befreiendes. Ich hatte danach das Gefühl wieder mit dir in Kontakt zu stehen. Ach, ich kann es nicht recht erklären.

Ich habe mich in dieser Woche für eine Therapie beworben. Ich weiß noch nicht ob etwas daraus wird, aber ich habe einen Schritt getan, einen Schritt in die richtige Richtung. Ich habe auch begonnen ein bestimmtes Buch zu lesen. Du weißt ja, dass ich mich immer schon sehr für Esoterik interessiert habe und in dieser Richtung bereits unzählige Bücher in meinem Leben verschlungen habe, aber dieses Buch ist anders. Es heißt "Freundschaft mit Gott" von Neale Donald Walsch. Es hat wirklich nichts mit kirchlichem Glauben zu tun, es sind auch nicht die ätherischen Ergüsse eines Weltverbesserers oder Sektenführers. Das Buch tut einfach gut. Beim Lesen wird einem warm ums Herz, es ist auch lustig geschrieben. Das Lesen darin hat einfach eine ausgesprochen aufmunternde, positive Wirkung. Jemand den ich gar nicht kenne hatte mich angemailt und mir die Bücher von Neale Donald Walsch, er hat mehrere in der gleichen Art geschrieben, empfohlen. Ich dachte mir, kann ja nicht schaden, habe 4 davon gekauft und die Bände "Gespräche mit Gott 1+2+3" Oma zu Weihnachten geschenkt, das vierte habe ich jetzt selbst zu lesen begonnen. Ganz sicher werde ich mir die anderen bald bei Oma ausleihen.

Also: ES GEHT MIR GUT. Keine Ahnung wie lange das andauern wird. Ist auch egal. Heute geht es mir gut, und ich kann an dich denken voller Freude, dass es dich gibt und voller Liebe und Dankbarkeit, dass wir dieses Leben zusammen leben können, auch wenn du nicht mehr so greifbar bist.

Ich wünsche mir sehr, dass es auch dir gut geht.

Bis bald, alles Liebe

Mama

11. Juni 2004

Lieber Roby,

Hier siehst du ein Photo von deinen Brüdern. Wir haben es vorigen Monat an Bayus Geburtstag aufgenommen. Jeder von ihnen würde gerne dich so drücken. Und ich erst!!!!

Am Sonntag ist Muttertag. Weißt du noch Muttertag vor 2 Jahren?

Ich kann's ohne dich kaum aushalten. Ich glaube Muttertag ist das Schlimmste. Schlimmer als Weihnachten, Geburtstag, ... Ich habe letztes Jahr schon darum gebeten, dass wir diesen Tag bitte ausfallen lassen, wenigstens hier zu Hause. Sicher hättest du mir Blumen geschenkt. Ich werde welche kaufen und sie ans Grab stellen. Ich mag nicht sagen "dein Grab". Ich wünsche mir für dich alles, bloß kein Grab. Ich werde sie eben dahin stellen, weil ich nicht weiß wohin sonst. Ich möchte diese Blumen nur mit dir teilen. Deshalb stelle ich sie nicht hier ins Haus. Es sind unsere Blumen. Deine und meine. Ich wünsche mir sehr, dass du sie siehst, und dass du verstehst, dass ich weiß, dass du mich liebst, und dass du mir Blumen schenken würdest wenn du es könntest. Und du sollst nicht denken, dass mir das nun alles fehlt. Du sollst sehen, dass ich die Blumen trotzdem bekomme, ganz in deinem Sinne. Vielleicht schenkst du mir ja sogar welche. Vielleicht sind die Zitronen, die dein Bäumchen uns so reichlich beschert, ein Gruß von dir?

Könntest du mir nicht irgendein Zeichen geben, jetzt zu Muttertag? Irgendwas, dass ich weiß, dass es dir gut geht. Dass ich einfach nur weiß, dass du bist.

Ich wurde zu der Therapie nicht angenommen. Es hieß ich sei zu sehr suizidgefährdet und ich müsse einen Therapeuten hier vor Ort aufsuchen. Ich nehme an, du verstehst, dass ich darauf verzichte. Wer soll mir schon meine Sehnsucht nehmen? Diese allgegenwärtige, alles andere übertönende, unendlich peinigende Sehnsucht nach dir?

Ich würde gerne einen Arm, ein Bein, ach einfach alles was außer mir niemandem schadet, dafür geben von dir eine untrügliche Nachricht zu erhalten. Einfach nur sicher wissen: es ist nicht zu Ende, es ist nicht für alles zu spät. Natürlich spüre ich, dass es so ist, dass du noch da bist, dass wir noch viel gemeinsam vor uns haben. Aber es nur zu spüren ist zu wenig um es mit jemandem zu teilen, um auch Oma, Opa und deine Brüder zu trösten und auch um nicht doch manchmal an sich selbst zu (ver)zweifeln.

 

Jos ist der einzige der ganz normal von dir spricht. Ich bin ihm dankbar dafür, es bringt für Augenblicke etwas von der früheren Leichtigkeit zurück. Wir anderen "erwähnen" dich schweigend, wohl wissend was der andere gerade denkt. Oma redet nur trauernd von dir. Und wütend. Nicht wütend auf dich sondern auf jeden der dich irgendwann einmal verletzt oder beleidigt hat. Sie steigert sich dann da rein, letztens ging es um einen 9jährigen Jungen als du selbst auch 9 warst, und füllt den Raum mit ihrem Hass und sich selbst mit Schuldgefühlen. Das tut nicht gut. Am wenigstens ihr selbst.

Oder aber sie glorifiziert dich total. Ich weiß, ich sollte dann geduldig einfach "ja, Mama, so war er" sagen, aber ich möchte mich mit anderen zusammen genauso an dich erinnern wie du wirklich bist. Ich mag nicht wenn jemand in einer verzerrten Form von dir redet. Ich liebe dich genauso wie du bist. Es ist diese Kombination aus Vorzügen und Untugenden, aus Stärken und Schwächen, die dich zu dem macht der du bist, zu dem den ich liebe. Deshalb rede ich am liebsten mit niemandem über dich, sondern nur mit dir.

Ich hab dich lieb, mein Junge

Meld dich mal

Alles Gute

Mama

Ps: wie du auf diesem Photo sehen kannst, geht es deinem Kater sehr gut. Er hat sich gut bei uns eingelebt und ist sehr umgänglich geworden. Meist schläft er in meinem Bett und lässt sich jetzt auch recht problemlos von mir kämmen. Und von Opa, der übernimmt das nämlich wenn wir mal verreist sind. Er liegt gerne in Geoffreys Zimmer, wenn er zu Hause ist und spielt und kämpft auch gerne mit ihm. Da geht's schon manchmal etwas rauer ab. Am liebsten kämpft er jedoch mit Jos. Der hat regelmäßig Kratz- und Bissspuren. Zu Bayu und mir ist er immer ganz sanft. Wir lieben ihn alle sehr, und ich bin überzeugt, dass auch er uns alle sehr mag. Jos, Bayu und Geoffrey verlassen das Haus morgens immer etwas früher als ich; dann steht er an der Tür und jammert ihnen hinterher.

So, das war's jetzt aber für heute. Ich drücke dich in Gedanken ganz fest

Bis bald

 

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  28. November 2004

Lieber Roby

Ich möchte dir seit langem wieder schreiben, aber die Tatsache, dass jeder diese Zeilen lesen kann hat mich einige Zeit blockiert. Ich habe aber nun einmal diesen Weg der Kommunikation mit dir gewählt und habe auch den Eindruck, dass es so für uns beide funktioniert. So werde ich es beibehalten, auch wenn du dann vielleicht etwas zwischen den Zeilen lesen musst.

Ich habe dir im Juni zu Muttertag ein ganz kleines Pflänzchen aufs Grab gestellt und dann am 20. Juni eine große Laterne, die ich mit den im Kreis gehenden Elefanten (die sollen ja Glück bringen) und den Holztulpen aus Indonesien bestückt habe. Ich war seither nicht mehr da. Du weisst ja, dass ich mir lieber vorstelle Du seist hier in unserer Nähe und nähmest noch irgendwie an unserem Leben teil, als dass ich mir denken möchte Du seist in irgendeiner Art und Weise in diesem Grab. Du hast aber bald Geburtstag. 26 wirst du dann. Ich würde so gerne sehen wie du mit 26 aussiehst. Jedenfalls werde ich dir dann wieder ein Geschenk dahin bringen. Ich weiss bloß noch nicht was. Was würde dir denn Freude machen? Es wird ein Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk zugleich sein.

An Weihnachten bin ich nämlich nicht da. Ich habe (ganz verrückt) für Bayu, Oma, Opa und mich eine Reise nach Jakarta gebucht. Kommst du mit? Es wäre schön wenn ich das Gefühl hätte alle diese uns so vertrauten Plätze mit dir gemeinsam zu besuchen. Wir starten am 16. Dezember und landen am 31. wieder in Frankfurt. Es macht mir ein bißchen Angst. Deine körperliche Abwesenheit wird mir dort noch viel bewusster sein als hier und manche Wunden werden von Neuem schmerzen. Dennoch freue ich mich auch sehr darauf.

Ach Roby, mein guter, lieber Schatz, es gibt so vieles was ich dir sagen möchte...

Es geht mir eigentlich recht gut im Moment. Ich habe mich von Jos getrennt. Im Juli. Er meint Du wärest der Letzte der diese Entscheidung verstehen würde. Aber ich glaube, dass eher das Gegenteil der Fall ist und werde dir dafür jetzt auch hier keine näheren Erklärungen abgeben. Wir haben oft und viel über die Beziehung zwischen Jos und mir geredet. Du weisst alles.

Er wohnt noch hier, hat aber eine Wohnung gemietet für Ende Januar oder Anfang Februar. Wenn du kannst, dann hilf ihm dabei den Absprung zu schaffen. Es ist auch für ihn das Beste, davon bin ich überzeugt, auch wenn er das jetzt vielleicht noch nicht so recht einsieht.

  Mir geht es gut. Um mich brauchst du dir überhaupt keine Sorgen zu machen. Wir sind alle ein bißchen verrückt. Das waren wir schon immer, aber seit du dich so vom Acker gemacht hast, ist es noch ein bißchen doller geworden. Wir haben eine Menge Spaß zusammen, Geoffrey, Bayu und ich. Irgendwie ist aber immer klar, dass wir uns diesen Spaß und diesen Übermut irgendwie stehlen. Ich kann's nicht recht erklären. Seit Juli war ich jetzt bereits mehrmals im Kino! Doch du kannst es ruhig glauben. Ich war im Kino. Ganz freiwillig. Ich gehe häufig essen, mit Arbeitskollegen. Und ich war in der Disco. Mit Geoffrey, Heike, Marco und Steffie. EHRLICH!!! Und es war gar nicht mal schlecht. Ich hab' getanzt bis morgens um 5. lol

Und ich war im Cabaret. Aber das ist eine andere Geschichte, die musst du zwischen den Zeilen lesen.

Ach Roby, ich habe dir doch immer alles erzählt. Ich bräuchte dich mal wieder. Zum Zuhören und zum leicht hysterischen Ausrufen: "Mamm, du hast sie nicht mehr alle!"

Heute abend kommt "Nirgendwo in Afrika" im Fernsehen. Der letzte Film den wir uns gemeinsam im Kino angeschaut haben. Ich weiss noch nicht ob ich ihn mir ansehen soll. Soll ich? Wirst du dabei sein?

Auf der Arbeit sind wir jetzt wieder zurück ins eigentliche Gebäude gezogen. Es ist zu Ende renoviert und wirklich wunderbar geworden. Ich denke es würde dir gefallen. Ich sitze jetzt unten am Empfang. Es ist schön. Ich habe zwar noch keine Ahnung wie ich meine restliche Arbeit dort bewerkstelligen soll. Irgendwie ist immer was los und man kommt kaum dazu sich mal 5 Minuten auf irgendwas zu konzentrieren. Egal, Spaß macht es auf jeden Fall und der Rest wird sich finden.

Ich habe heute das Gefühl dir das was ich eigentlich sagen wollte, gar nicht gesagt zu haben. Egal, sei einfach manchmal da wenn du es einrichten kannst und hilf uns dabei uns selbst treu zu bleiben und andere dabei so wenig wie möglich zu verletzen. Dann wird sich schon alles richten.

Ich hab dich lieb

Jeder Tag der vergeht bringt mich näher zu dir

Also bis bald

Mama

2. Dezember 2004

 

Hallo Roby

 

Also alles was ich dir eben geschrieben habe, wurde jetzt durch eine kurze Strompanne gelöscht. Natürlich hatte ich nichts abgespeichert. Beurk!!!

Egal, es war nicht sooooooooooooooo wichtig und ich schreib's jetzt nicht nochmal.

 

Des Pudels Kern war ja eigentlich auch nur, dass ich glücklich bin, dass wir beide eine Kommunikationsmöglichkeit gefunden haben.

 

Aber ich kann mit deiner letzten Aussage nicht wirklich was anfangen. Was meinst du mit: "ohne dich kann ich nicht lieben"?

 

Ich denke jetzt seit Tagen darüber nach. Na ja, nicht dauernd. Ich gebe zu, ich bin ziemlich beschäftigt, aber zwischendurch immer mal wieder (eigentlich hauptsächlich in der Badewanne). Sorry, ich gelobe Besserung und werde mir auch bestimmt irgendwann mal wieder Zeit zum Meditieren nehmen.

 

Dennoch, ich weiss nicht was du mir damit sagen willst. Erwartest du irgendwas von mir? Wenn ja, was?

 

Ich liebe doch, dauernd, ständig. Mehrere Menschen, jeden anders. Eigentlich mag ich eh alle Menschen irgendwie.

 

Was willst du? Durch mich die große Liebe erfahren? Ich kann sie empfinden, bin mir aber nicht sicher ob ich sie auch leben kann.  Eigentlich weiss ich nicht mal sicher was das überhaupt ist. Liebe!?

 

 

Was ist Liebe? Jemanden begehren, anbeten, alle eigenen Interessen zurückstellen und nur für den anderen das Beste wollen? Selbst auf alles verzichten nur um dem anderen nicht vielleicht zu schaden? Ist das Liebe?

 

Und wenn man dieses Entsagen und Verzichten dann irgendwann nicht mehr kann, weil man ja schließlich auch nicht Mutter Teresa ist, weil man sich nach Zärtlichkeit und Gemeinsamkeit sehnt, ist es dann keine Liebe mehr? Ist es dann Egoismus? Suche nach Selbstbestätigung? Selbstverliebtheit die im anderen nur einen Spiegel für das eigene Ego sucht?

 

OHNE mich kannst du nicht lieben! Wie willst du denn MIT mir lieben? Ich weiss nicht wie das geht.

 

Dann hilf mir gefälligst dabei. Wie liebt man ohne irgendjemandem Schaden zuzufügen, weder gleich noch irgendwann später UND ohne dabei selbst zu leiden?

 

Ich glaube selbst euch, meine Kinder, kann ich nicht so lieben. Je mehr ich versuche euch einfach nur so zu lieben wie ihr seid, ohne jegliche Erwartungshaltung meinerseits, desto mehr setzt ihr euch selbst unter Druck.

 

Du willst also durch mich oder mit mir oder was auch immer, lieben? Dann zeig mir wie's geht. Oder erklär mir wenigstens was du meinst.

 

Nach diesem Erguss kann ich jetzt nicht mal mehr ruhigen Gewissens "ich hab dich lieb" schreiben. seufz.

 

Trotzdem: ICH HAB DICH LIEB!!!!!!

Bis bald

 

Mama

 

05. Juli 2005

 

Lieber Roby

 

Ewig her, dass ich dir geschrieben habe. Dabei hab ich mehrmals angefangen.  Ich wollte dir von unserer Reise nach Jakarta erzählen die wir, Oma, Opa, Bayu und ich, über Weihnachten unternommen haben. Ich wollte dir auch erzählen, dass ich mich endlich von Jos getrennt habe (voriges Jahr im Juli schon, ausgezogen ist er aber erst im Februar) und und und... Irgendwie hab ich es aber nie gebacken gekriegt.  Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass es doch Dinge gibt, die man so in aller Öffentlichkeit nicht preis geben mag. Also erzählt man immer nur die lapidaren Dinge, kommt nicht auf den Punkt und verliert in der Hälfte des Briefes den Elan. Außerdem tut es meist weh dir zu schreiben. Ich möchte dir von mir erzählen und dich dabei ansehn. Ich möchte, dass du mich auslachst ob meiner durchgeknallten Gedanken und verrückten Ideen. Ich möchte keinen Monolog führen, sondern zu jemandem reden der mich wieder auf den Teppich bringt. Ich möchte....

 

Heute war aber so ein besch... Tag, dass es auch schon egal ist wenn ich jetzt noch etwas in Melancholie versinke. Ich tat mir eh schon den ganzen Tag über leid. Am Nachmittag ist mir dann zum ersten Mal auf der Arbeit der Kragen geplatzt. Zum allerersten Mal bin ich einem Konflikt nicht aus dem Weg gegangen sondern habe ihn förmlich gesucht. Ich weiß jetzt wirklich nicht ob ich darüber stolz oder entsetzt sein soll. War das nun ein Schritt in die richtige Richtung oder werd' ich langsam hysterisch?

 

Ist eh jetzt zu spät. Hätt ich mal vorher drüber nachdenken sollen. Bereuen werd ich's bestimmt, denn das hat ja nun sicherlich für ne Zeit die Atmosphäre vergiftet. Ich war zwar im Recht, aber was nützt das schon?

 

Wenn mich nicht bald mal jemand in den Arm nimmt, schrei ich! Wie lange hat das schon niemand mehr getan? So dass ich mich anlehnen, mich fallenlassen konnte, meine ich? Kann mich gar nicht mehr erinnern. Jos hat das sowieso nie getan. Vielleicht kann ich mich überhaupt nicht gehen lassen? Vielleicht hab ich das irgendwann verlernt.

 

Einmal 5 Minuten lang mich in Sicherheit fühlen, einen Augenblick lang das Bedürfnis mich zu kontrollieren, mich im Griff haben zu müssen, einfach vergessen. Das wär unbeschreiblich schön.

 

Gibt es das? Gibt es jemanden dem man so sehr vertraut, dass man das kann? Kann man Schwäche zeigen ohne gleich für labil und unberechenbar gehalten zu werden? Oder als Last empfunden zu werden?

 

Ich hab's mit Geoffrey eine Zeitlang versucht und ihn damit total überfordert. Er braucht eine starke, tatkräftige, selbständige, stabile Mutter. Das ist sein gutes Recht. Aber würde sich vielleicht mal jemand des Restes von mir annehmen und mich einfach mal ich selbst sein lassen?

 

Ich möchte ja gar nicht jammern oder weinen oder lamentieren oder über dich reden. Ich möchte einfach mal weich sein dürfen, irrational. Die Dinge fließen lassen auch wenn dabei vielleicht was Dummes rauskommt. Ich kann's nicht ausdrücken.

 

Habe Lorie (oder Laurie?) ein bischen kennengelernt. Mochte sie schon immer. Mag sie richtig gern. Keine Ahnung wieso. Sie ist so einfach, unkompliziert (und nicht auf den Mund gefallen!) und sieht so süß und lieb aus, dass ich sie am liebsten knuddeln möchte. Geht aber nicht, würde mir von verschiedenen Seiten völlig falsch ausgelegt werden. Wahrscheinlich bin ich eh schon einen Schritt zu weit gegangen indem ich sie zum Walken eingeladen habe. Ich kann dir hier jetzt nicht erklären warum, aber wenn du bei mir bist wann immer ich mir einbilde deine Nähe zu fühlen, dann bist du ja im Bilde.

 

Ich sollte mir einen anderen Job suchen. Dann wäre ich freier und könnte mögen wen immer ich will. Seuz! Zumindest Karrieregründe könnte mir dann niemand unterstellen. Oder Protektion oder sowas in der Art. Ist aber glaub ich auch gerade nur wieder einer meiner bescheuerten Gedanken. lol.

 

Ich geh jetzt einfach mal ins Bett. Wenn ich es irgendwann hinkriegen würde richtig auszuschlafen, wäre alles auch schon wieder ein bischen weniger grau.

 

Es hat jedenfalls trotz allem gut getan mit dir zu reden. Wäre schön wenn ich eine Antwort von dir kriegen könnte.

 

Hab dich sehr, sehr lieb

 

Bis bald

 

Mama

 

 

27. November 2005

 

Lieber Schatz

 

Nur noch wenige Tage bis zu deinem Geburtstag. 27 wirst du nun bald. Gibt es ein Alter dort wo du jetzt bist?

 

Ich habe gemalt, das ganze Wochenende über. Daher sieht's jetzt hier ein bischen ungepflegt aus. Kann halt nicht alles machen. Die Idee zu malen kam mir am Freitag. Zum Glück haben wir jetzt hier ein Bastelgeschäft, sodass ich mir gleich Leinwand und ein bischen Farbe besorgen konnte. Es hat wirklich gut getan. Der ursprüngliche Gedanke zu malen, hatte nichts mit dir zu tun. War mehr so eine Idee als Weihnachtsgeschenk für jemanden. Aber dann hat es mir zu einem wahrhaft erfüllten Wochenende verholfen. Und ich werd' mich auch ganz bestimmt trauen und eins der "Werke" verschenken.

 

Heike hat sich vor einem Monat und einem Tag von Geoffrey getrennt. Du hattest ja nie richtig Gelegenheít sie kennen zu lernen. Sie ist nicht so ete petete wie du meintest. Man muss halt nur erst zum Kern vordringen. Und sie war uns wirklich eine große Stütze als du dich damals davon geschlichen hast. Verdammt!!!

 

Ich mag sie jedenfalls immer noch und das wird auch so bleiben. Auch wenn unserer Wege sich jetzt bald unweigerlich trennen werden. Sie wird immer ein wichtiger und schöner Teil in meinem Leben bleiben und sei es in der Erinnerung.

 

Vorletzte Woche kam Patricia vorbei auf ein Glas Wein. Ich denke es freut dich zu hören, dass es ihr wirklich gut geht. Es war schön mit ihr zu plaudern. Wir sehen uns eigentlich nur einmal im Jahr, es sei denn wir treffen uns irgendwo mal zufällig. Aber das ist eher selten. Sie wohnt ja jetzt in der Stadt und arbeitet in Remich.

 

So wurschteln wir uns halt alle irgendwie durch's Leben. Geoffrey mit momentanem Liebeskummer und viel Arbeit in seinem letzten Studienjahr, Bayu mit Pubertätsproblemen und ich... Ich sei ein Eisberg, sagte mal jemand. Na dann!

 

Ich bin nicht aus Eis, ich liege nur auf Eis. Wer will denn meine Gefühle? Wer will meinen Schmerz sehen? Wer möchte denn an meinem Leid teilhaben? Hat jemand Lust auf meine Wut und meine Verzweiflung? Und will vielleicht irgendwer meine Liebe? Meine Sehnsucht? Mein Verlangen? Meine Gier nach Lebenslust?

 

Also bemühe ich mich verzweifelt um einen Hauch von Normalität.

 

7. Dezember 2005

 

Lieber Roby

 

Morgen hast du Geburtstag. Es ist schon bald Mitternacht. Dann ist es so weit. Um 11.35 Uhr bist du geboren. Das lässt mir noch ein wenig Zeit. Ich werde jede Minute zählen. Jede Sekunde qualvoll durchleben. Und dann wirst du 27 Jahre alt sein. Irgendwo. Ich weiss nicht wo. Wo?

 

Du fehlst mir so sehr. Ich vermisse dich so. Ich möchte so gerne wissen wie du bist, wie du aussiehst. Jetzt. Mit 27.

 

Mein lieber Junge. Ich möchte dich so gerne in die Arme nehmen, dich küssen und dir etwas ganz Wunderbares schenken. Ich möchte deine Augen strahlen sehen. Ich werde noch wahnsinnig.

 

Happy Birthday Roby

 

 

 

10. Februar 2006

 

Verdammt noch mal Roby

 

Diese Woche ist gar nichts gegangen. Jetzt ist Freitag Abend. Ich sollte mich über das Wochenende freuen. Statt dessen hocke ich hier am Computer und schlucke meine Tränen schon wieder runter. Hab vorigen Sonntag begonnen das Wohnzimmer zu streichen, wollte es an jedem Abend dieser Woche fertig machen. Aber es geht einfach nicht. Ich habe alles so satt!!!!

Es macht mich so müde, so fertig dieses ständige Kämpfen um ein bischen Normalität. Es kostet mich eine solche fast übermenschliche Anstrengung mich um den täglichen unsinnigen Kleinkram zu kümmern nur um mich durch noch einen Tag zu schleppen.

Ich halte das alles ohne dich nicht aus. Was hat mein Leben, was habe ich denn überhaupt für einen Sinn, wenn es mir nicht mal gelingt mir das Allerwichtigste überhaupt wenigstens zu erhalten, nämlich meine Kinder? Was soll das?

Natürlich hab ich noch zwei. Klar sind die genau so wichtig. Aber von diesem einen bin ich amputiert. Und dieser Schmerz... dieser Schmerz...!!! Wer kann den aushalten?

Ich liebe dich

 

 

10. Februar 2006

 

Ich kann mich heute nicht von deiner Seite trennen. Ich setz dir jetzt mal den Text des Hintergrundliedes dieser Seite hier rein. Ich könnte ihn laut schreien den ganzen Tag:

 

You were once my one companion
You were all that mattered
You were once my spring and summer
Then my world was shattered
 

Wishing you were somehow here again
Wishing you were somehow near
Sometimes it seemed if I just dreamed
Somehow you would be here
 

Wishing I could hear your voice again
Knowing that I never would
Dreaming of you won't help me to do
All that you dreamed I could
 

Passing bells and sculpted angels
Cold and monumental
Seem for you the wrong companions
You were warm and gentle
 

Too many years fighting back tears
Why can't the past just die?
 

Wishing you were somehow here again
Knowing we must say goodbye
Try to forgive, teach me to live
Give me the strength to try
 

No more memories, no more silent tears
No more gazing across the wasted years
Help me say goodbye

 

 

 

 

 

23. Februar 2006

 

Salü Roby

 

Ich weiß jetzt was man alles anstellen muss um an sich selbst zu verzweifeln. Ich habe diese Woche nur absolut hirnrissige Aktionen vom Stapel gelassen.

 

Werde ich langsam verrückt? Ich glaube schon. Ich bin irgendwie am Durchdrehen, merke es selbst, weiß aber nicht wie ich es verhindern soll. Und dann kann man nicht mehr zurück. Wenn ich es wenigstens nur innerlich fühlen würde, wär's ja noch irgendwie egal. Aber ich beginne andere mitrein zu ziehen. Ich könnte mich sowas von ohrfeigen.

 

Am liebsten würde ich mein Handy weg schmeißen und mir den Mund zukleben. Ich bin vollkommen aus dem Gleichgewicht, nicht mehr eins mit mir selbst, habe meine Mitte verloren. Vielleicht sollte ich doch endlich eine Therapie machen.

 

Sag was, verdammt nochmal!!! Kein Mensch redet mit mir!! Ich dreh durch.

 

Ich halte das alles nicht mehr aus.

 

Ich hatte doch mal ein Leben. Das ist so lange her. Ich weiß gar nicht mehr richtig wie das war.

 

Jetzt bin ich nur noch ein Klotz am Bein. Sogar an meinem eigenen.

 

Du kannst nichts dafür, Roby. Das spielt sich alles in mir selbst ab. Ich erzähle es dir nur. Weil mir eh sonst niemand zuhört.

 

Es hat gut getan mit dir zu reden, und irgendwie ist jetzt auch Zeit, dass ich aufhöre mich selbst zu bedauern. Was war, war und was ist, ist. Und komme was da wolle. Ich schaff das schon!!!

 

Riesenbussi, hab dich lieb

 

19. Juni 2006

 

Lieber Roby

 

Morgen werden es 4 Jahre seit ich weiss, dass wir uns nie wieder über die Köpfe anderer hinweg wissend ansehen werden, uns verstehend ganz ohne Worte, wissend was der andere denkt.  Nie wieder wirst du mich von den Wonnen des Pisang Ambon mit Orangensaft zu überzeugen versuchen. Im Andenken an dich trinke ich dieses seltsame süße, fast widerlich grüne Zeug noch heute manchmal, obwohl ich's gar nicht wirklich mag.  Wir werden keinen Joint mehr teilen (an alle Moralapostel die dies jetzt vielleicht lesen: haben wir nur einmal gemacht, und es tut mir nicht leid. Im Gegenteil! Ich wollte ich könnte es wieder tun. Einen Joint mit meinem Jungen teilen. Jetzt und morgen und nächste Woche...) du wirst mir keine Crèpes mehr backen, ich werde dir keine Rezepte mehr ausdrucken... Du wirst mich auch nie mehr wütend machen und ich werde dich nie mehr enttäuschen.

 

Ich ertrinke in meinen geweinten Tränen und ersticke an den noch ungeweinten. So ringe ich nach Luft, nach ein bisschen Luft zum Atmen, ein bisschen Luft zum Leben, zum Überleben, zum Weiterleben...

 

Woran kann ich noch glauben, worauf kann ich noch hoffen wissend, dass mein größter Wunsch, meine größte Sehnsucht sich niemals erfüllen wird.

Ich muss es akzeptieren... aber um zu akzeptieren muss ich resignieren, wenn ich resigniere kann ich nicht mehr kämpfen, wenn ich nicht mehr kämpfe kann ich nicht überleben...

Was für ein Teufelskreis!

 

Ich bring dir gleich Blumen auf's Grab. Hab deinen Namen immer noch nicht auf die Platte schreiben lassen. Ich möchte zuerst, dass du ein eigenes Grab bekommst, aber das ist hier in Echternach ja schon fast unmöglich. Die Blumen sind schön, aber damit ist es auch so eine Sache. Man kann ja nicht die Blumen hinbringen, die dir vielleicht am besten gefallen hätten, sondern die, die pralle Sonne ertragen, nicht 3x täglich gegossen werden müssen, gegen Regen und Hagel immun sind usw.  Also hab ich dir hier das Photo einer Orchidee reingestellt. Ich hab es voriges Jahr in Jakarta selbst geknipst. Schön, nicht?

 

 

 In 4 Wochen fahren wir wieder hin. Alle zusammen diesmal. Geoffrey, Bayu, Oma, Opa und ich. Leider ist dann niemand mehr hier um sich liebevoll um deinen Kater zu kümmern. Das tut mir sehr, sehr leid. Zuerst wollte ich ihn für die Dauer unserer Abwesenheit in eine Tierpension bringen. Ich glaube aber inzwischen, dass das doppelt schlimm für ihn wäre. Er war ja bereits völlig verwahrlost im Tierheim gelandet, kam dann zu dir und war wenige Monate später dein einziger Gefährte während deiner letzten Stunden. Dann kam er zu uns und hat sehr, sehr lange gebraucht um Vertrauen zu fassen. Eigentlich ist  er erst seit 6 Monaten ein richtiges Familienmitglied das uns mag, uns traut und sich auf uns verlässt. Wenn ich ihn jetzt hier fortbrächte, würde er sich furchtbar verstoßen fühlen. Ich werde schon jemanden finden, der täglich kommt, ihn füttert und sein Klo säubert. Ihn auch noch zu kämmen, zu streicheln und ihm Gesellschaft zu leisten, kann ich ja kaum von jemandem erwarten. Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich wollte auch so gerne nochmal mit Geoffrey zusammen sein bevor er auch bald ein eigenständiges Leben anfängt. Und Oma und Opa läuft die Zeit davon, sie kann ich auch nicht einfach auf ein andermal vertrösten. So fahren wir eben alle zusammen. Steh uns bei!

 

Ich hab dich sehr lieb Roby, wenn du kannst, dann hilf uns bitte zu leben.

 

Bis bald

Mama

 

 

30. Januar 2008

 

Hallo Robylein,

 

Wahrscheinlich findest du die Farbe, die ich heute gewählt habe grässlich, aber sie entspricht meiner momentanen Stimmung und die möchte ich dir gerne rüberbringen. Solange ist es jetzt her, dass ich dir nicht mehr geschrieben habe. Aber du weißt, dass ich fast ständig an dich denke und sehr oft mit dir rede. Ich kann jetzt hier auch nicht anderthalb Jahre berichten, sondern werde mich nur auf die groben Züge beschränken.

 

Wir waren zusammen in Jakarta. Wir hatten ein Appartement gemietet im ... na toll, jetzt fällt mir der Name nicht mehr ein - nein nichts zu machen, ich sehe das Logo deutlich vor mir, aber ich kann es nicht lesen. Ist ja auch egal. Dieses Mal tat deine physische Abwesenheit schon etwas weniger weh. Wir sind alte Wege zusammen abgegangen, haben bekannte Orte besucht, waren an der Schule, in Kemang, im Pondok Indah Mall. vieles hat sich sehr verändert. Und dann waren wir bei den Häusern und Orten wo du schon nicht mehr dabei warst. Aber diesmal warst du es. Ich habe deine Nähe gespürt. Ich habe dir alles gezeigt und alles mit dir geteilt was damals nicht möglich war. Der Security Guard in Kemang hat sich an uns erinnert und nach dir gefragt. Wir haben ein Foto von ihm gemacht. Wenn ich es finde, stelle ich es dir hier rein.

 

Ich bin versöhnt nach Hause zurück gekommen. Ja, ich glaube, dass diese Reise sehr zu meiner seelischen Genesung beigetragen hat. Inzwischen war ich zwar auch bei einem Neurologen und habe rosa Pillen gekriegt. Aber das hat, glaube ich, nicht nur was mit dir zu tun. Die hätte ich auch schon viel früher brauchen können.

 

Im Februar letzten Jahres habe ich mir dann 2 Hunde angeschafft. Eigentlich sollte es ja nur einer werden, aber Geoffrey, der ihn in Norddeutschland abgeholt hat, brachte es nicht übers Herz die beiden verbleibenden Welpen zu trennen. So gehört nun eigentlich der Größere namens Taylor ihm, und der Zwerg, Theo, mir. Also so rein theoretisch. Da das Haus klein ist, sollten es auch kleine Hunde sein. Nein, das ist Quatsch. Die Wahrheit ist, Bopa hatte vor vielen, vielen Jahren, noch bevor ich auf der Welt war, einen kleinen Hund, einen Papillon. Er hat ihn sehr geliebt und seinen Verlust nie ganz verwunden. Da ich eh Tiere mag und davon überzeugt bin, dass ihre Gesellschaft mir gut tut, sollte es ein Papillon sein. Für Bopa, für mich, für uns alle. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Bopas Bella wohl eher eine Promenadenmischung war, dennoch lieben beide Bopa und begrüßen ihn bei jedem Besuch heiß und innig. Und Bopa hat sie auch, besonders allerdings den kleinwüchsigen Theo, ganz fest in sein Herz geschlossen. sie ärgern mich häufig, machen jede Menge Unfug und Dreck natürlich, aber es war die absolut richtige Entscheidung die beiden Lümmel anzuschaffen. Du tendierst ja eher zu größeren Exemplaren, ich denke du musst trotzdem zugeben, dass die beiden äußerst niedlich sind.

 

Im  August 2007 haben wir dann erfahren, dass Boma an Leukämie erkrankt ist. ML5. Eine Heilung ist ausgeschlossen. Sie wird wohl bald zu dir kommen. Manchmal denke ich sie schafft es noch 2 Jahre, an anderen Tagen jedoch geht's ihr so schlecht, dass das Ende fast greifbar nahe ist. Wir werden sehen. Du weißt, dass sie dich sehr liebt. Vielleicht mehr als irgendjemand sonst. Es wird schön sein für sie, dir wieder ganz nah sein zu können. Und auch ihre geliebte Mutter und Großmutter wird sie wieder sehen. Na ja, das ist halt der Lauf der Dinge. Die größten Sorgen mache ich mir um Bopa. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie es für ihn sein wird, nach einem ganzen zusammen verbrachten Leben...

 

 

 

Aber jetzt habe ich ein Haus gefunden in Holsthum. Ein ganz besonderes, großes und kuscheliges Haus mit schönem Garten. Ich weiß, das ist MEIN Haus. Darauf habe ich immer gewartet. Ob ich es wirklich kaufen kann, weiß ich noch nicht. Wir denken darüber nach, dass Geoffrey dieses Haus kauft, sodass es in unserer Familie bleibt, und ich dann mit Bayu nach Holsthum ziehe. Dafür bräuchten wir aber etwas finanzielle Unterstützung von den Großeltern. Ist es fair, Geoffrey dieses Haus kaufen zu lassen, wo ich es doch selbst nicht mehr will? Übervorteile ich ihn? Ich wäre dankbar wenn du mir deine Meinung dazu sagen könntest. *seufz* Jedenfalls wäre dort genug Platz für uns alle. Auch Bopa könnte seine ganz privaten Räumlichkeiten haben, falls ihm einmal danach ist. Egal wie er sich selbst im Alter verändern würde, er bräuchte nie in ein Heim. Er hat eine schöne Rente, sodass es sogar im schlimmsten Fall möglich wäre jemanden zu bezahlen, der während ich zur Arbeit bin, den ganzen Tag bei ihm bleibt. Ich möchte dieses Haus sooooooooooo sehr.

 

Heute abend sehen wir es uns noch einmal an. Bayu wird es dann zum ersten Mal sehen. Für ihn würde ein Umzug nach Holsthum natürlich auch eine große Umstellung bedeuten. Er wäre weit weniger flexibel und unabhängig. Aber was soll's? In 3 Monaten wird er 16. Bald ist er flügge, hat einen eigenen Führerschein.... Na ja, und dann wird Geoffrey versuchen sich mit Oma über das Finanzielle zu unterhalten. Bitte halte uns die Daumen. Es klingt vielleicht brutal oder herzlos, aber sie hat das Geld und was um alles in der Welt will sie denn noch damit tun? Ich würde es ihr ja von Herzen gönnen, wenn sie es nützen würde, wenn sie sich damit etwas Gutes täte, wenn Bopa und Boma dadurch ein ausgefüllteres, zufriedeneres Leben hätten. Aber sie hortet es ja nur. Selbst jetzt noch, um 5 vor 12. Sie kanns ja nicht mitnehmen und Geoffrey und natürlich auch mir, würde es so sehr helfen. Selbst ihnen würde es helfen, denn sie verbringen ja doch recht viel Zeit bei mir, und die wäre um vieles angenehmer in jenem Haus. Ganz abgesehn davon, dass es auch die Möglichkeit bietet sie bei Bedarf dort unterzubringen.

 

Ach Roby, du siehst es geht mir sehr viel besser. Ich mache wieder Pläne, blicke in die Zukunft, habe Wünsche und Träume. Ich lebe wieder. Nicht wie früher, nicht mehr so unbeschwert und leicht, aber ich habe mich arrangiert. Du fehlst an allen Ecken und Enden. Deine Meinung fehlt, deine Tatkraft fehlt, dein physischer Einsatz fehlt, dein Oppositionsgeist fehlt, deine Kritik, deine Träume... DU fehlst. Immer und überall. Oh nein, du hast vieles nicht leichter gemacht, das lass dir ruhig mal gesagt sein, aber auch das gehörte zu meinem, zu unserem Leben dazu. Und das ist jetzt nicht mehr da.

 

Ach ja, kurz nachdem wir von Jakarta zurück waren, bekam ich eine Mail von dem Mädchen mit dem du damals immer gespielt hast, bei dem letzten Haus in dem du mit uns wohntest. Sie schrieb, sie hätte gedacht dich  mit deinen Großeltern in der Nähe ihres Hauses gesehen zu haben. Daraufhin hat sie das Internet durchforstet bis sie dann auf diese Seite stieß und hat mich angeschrieben. Sie hatte Bayu gesehen in Jakarta. Bis auf die Nase sieht er dir wirklich verblüffend ähnlich, und die Nase hattest du zu Kinderzeiten ja noch nicht. Ich werde dir ihren Namen schreiben und auch ein Bild von ihr hier reinstellen sobald ich ihr die ausführliche Mail geschrieben habe, die ich ihr versprochen aber niemals geschrieben habe.

 

So, jetzt muss ich los. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Steh uns bitte weiter zur Seite soweit du es vermagst, und lass uns fühlen, dass du unser Leben immer noch teilst.

 

Tausend Küsse

Mama

 

15. September  2008

 

Hallo Robylein,

 

Ich habe dir wieder lange Zeit nicht geschrieben. Tut mir leid aber ich hatte jetzt auch während einiger Monate kein Internet.

 

Leider weisst du ja bestimmt schon, dass Boma dir im Mai nachgefolgt ist. Es ging auf einmal sehr schnell. Zum Schluss war es für sie nur noch eine Erlösung, aber das macht es für uns, vor allem für Bopa natürlich nicht weniger schlimm. Wir haben viele schöne und auch lustige Erinnerungen an sie. Damit trösten wir uns. Aber für Bopa gibt es selbstverständlich keinen rechten Trost. Ich tue was ich kann aber so recht weiss ich auch nicht wie ich ihm helfen soll.

 

Ich habe das Haus gekauft. Im April. Mein Traumhaus!!! Jippiiiieeehhh!!! Und Geoffrey besitzt jetzt unser Haus in Echternach. Er hat bereits eine Menge in und um das Haus geleistet. Neue Fassade außen, frisch gestrichene Wände innen und eine gemütliche Einrichtung ganz in seinem eigenen Stil.

 

 

Und ich liebe dieses Haus. Vor kurzem ist Bopa auch hier eingezogen. So sind wir beide nicht allein.

 

Ach Roby, heute könnte ich die Welt umarmen. Ich hatte gerade ein sooooooooooooooo schönes Wochenende. Mit jemand ganz Besonderem. Er war wunderbar, das Wochenende war wunderbar und jetzt fühle ich mich als sei ich selbst auch ganz wunderbar!!

 

Ich bin zurück, zurück im Leben. Ich fühle, dass ich lebe, atme....

 

Ich küsse dich, mein Junge

Mach's gut

Bis bald (aber es eilt nicht mehr ganz so sehr, lol)

 

Ich hab dich sehr, sehr lieb

 

Mama

 

 

25. November  2008

 

Hallo Roby,

 

Da bin ich wieder. Irgendwie kommt es mir jetzt zum ersten Mal komisch vor dir auf Deutsch zu schreiben. Aber Luxemburgisch schreiben ist nicht so mein Ding und mit einer deutschen Tastatur schon gar nicht. Dir zu schreiben ist überhaupt gerade nicht mehr so einfach. Ich habe nur 6 Leuten von dieser Homepage erzählt, nicht einmal Günter weiß etwas davon. Aber ich habe Reaktionen erhalten auf den letzten Brief, den ich dir geschrieben habe. Freudige Reaktionen. Und das hat mir klar gemacht, dass diese Zeilen gelesen werden. Ich meine, klar wusste ich das auch vorher, ich schreibe ja schließlich öffentlich. Aber es ist eine Sache wenn es einem egal ist von der Welt gelesen zu werden, und eine andere wenn die Welt sich auf ein paar Menschen reduziert.  Wenn "die Welt" plötzlich ein Gesicht hat und Namen.... Aber egal, ich habe beschlossen auf diese Art mit dir zu kommunizieren, und ich werde das jetzt nicht ändern.

 

Ich war in Nürnberg in der ersten Novemberwoche bei dem "ganz Besonderen". Ich hätte dir schreiben sollen einen Tag bevor ich wiederkam. Es wäre eine Steigerung des Briefes vom 15. September geworden. Es war alles absolut perfekt. Nichts, gar nichts hätte irgendwie schöner, besser oder romantischer sein können. Ich war sehr glücklich und habe die paar Tage wirklich genossen. Er war genau wie ich ihn eingeschätzt hatte, einfach wunderbar, und die Woche war ein Traum.

 

Doch dann musste ich zurück. Und dann hatte ich eine Autopanne. Ich möchte dir keine Details erzählen , aber irgendwie rückte diese Panne die Dinge wieder an ihren realen Platz. Nein nicht die Dinge, die Personen! Was geschah war weder unerwartet, noch unverständlich. Es hat mich nicht enttäuscht, nicht geärgert, nicht gewundert. Im Gegenteil, ich habe es vollkommen verstanden und auch akzeptiert. Aber es war ein Gefühl als würde wie im Zeitraffer die ganze Welt von mir abrücken und ich bleibe in der Mitte zurück in völliger Leere.

 

Ich habe es akzeptiert, ja. So wie man eine unheilbare Krankheit akzeptiert weil man eben muss und es nicht ändern kann und es keinen Sinn macht sich gegen das Schicksal aufzulehnen.

 

Und ihm ging es ähnlich. Er stand auf einem Podest. Alles was er bis dahin getan hatte, war perfekt und machte mich glücklich. Und jetzt hatte er das Gefühl von diesem Podest hinunter zu stürzen in die gleiche bodenlose Leere in der auch ich mich gerade befand.

 

Und er denkt sich jetzt wahrscheinlich "Wenn ich nicht da sein kann wenn sie mich braucht, was hält sie dann bei mir." Und ich denke mir: "..." Ja, was denke ich mir eigentlich?

 

Ich denke so viele Dinge gleichzeitig, dass ich sie gar nicht sortiert kriege. Hattest du Tagträume, Roby? Ich meine Träume in denen du dich gezielt in ein völlig anderes Leben geträumt hast? Dir eine Romanze zurecht geträumt hast oder einen tollen Job oder, was weiß ich, du dich als tollkühner Ritter mit Drachen duelliert hast oder sowas halt? Hattest du das? Ich hatte auch schon solche Träume. Sie variieren, aber ein Haupttraum den ich schon seit Kind habe ist irgendwo im Dschungel (wobei der Dschungel direkt an Echternach angrenzt in meinem Traum) ein gut verstecktes, geheimes Baumhaus zu haben. Niemand weiß davon, niemand findet mich da. Wie durch ein Wunder habe ich dort natürlich alles was ich brauche usw. Ich käme allerdings niemals auf die Idee mir wirklich irgendwo diesen geheimen Ort zu schaffen. Ich versuche weitestgehend meine Träume im realen Leben umzusetzen. Mit mäßigem Erfolg, ich geb's ja zu.

 

Aber stell dir mal vor jemand schafft sich diese Traumwelt in echt. Parallel zur realen Welt. Niemand weiß davon. Nicht mal die engsten Freunde. Was sind dann die Figuren die in dieser Welt existieren? In der Parallelwelt meine ich. Figuren, die in der realen Welt nicht auftauchen. Genau wie beim Tagträumen eben. Man wacht auf, geht seiner normalen Tätigkeit nach und sagt ja dann auch nicht zu seinen Kindern oder seinen Arbeitskollegen "Hör mal, ich war gerade im Baumhaus im Dschungel...."

 

Wer oder was sind die Personen die in dieser Parallelwelt agieren? Ich kann mich da nicht reindenken. Vielleicht bin ich zu gradlinig. Oder fantasielos. Ich habe immer getan was ich wollte oder was eben getan werden musste. Je nach Lebenssituation. Aber immer ganz oder gar nicht. Manchmal auch auf Teufel komm raus.

 

Was ist das? Ist das ein Spiel? Und was bin dann ich? Ein Mitspieler? Ein Mitspieler in einem Spiel von dem man nicht mal weiß ob man es wird zu Ende spielen können. Vielleicht ruft ja vorher jemand: "Das Spiel ist aus!"

 

Ach Roby, wahrscheinlich krieg ich meine Tage. Worüber mach ich mir eigentlich Gedanken? Er ist wunderbar, ich liebe ihn und wir verbringen die schönste Zeit meines Lebens zusammen. Also warum nachdenken? Warum an die Zukunft denken? Heute ist heute!

 

Tolle Feststellung, Conny! Heute ist heute und heute bist du allein!

 

Es ist wie in der Bibel: die sieben fetten Jahre und die sieben mageren Jahre. Bloß ein bißchen anders: die sieben fetten Tage und die sieben mageren Wochen. *seufz*

 

Und dann denke ich mir noch, was will er mit jemandem der so weit weg ist? Es läge auf der Hand sich jemanden zu suchen bei dem nicht jedes Mal so viel Zeit vergeht bis die Partie weiter gespielt werden kann. Mit mir verliert er ja mehr Zeit und Nerven mit dem Aufstellen der Figuren als die eigentliche Partie dauert. Und dann hoffe ich, dass ihm diese Gedanken nicht auch kommen. Wie oft liebt man schon? Eigentlich doch fast nie. Sich zu verlieben ist so ein außergewöhnlicher Glücksfall.

 

Und zu lieben ist so wunderschön.

 

Dich liebe ich auch Robylein.

 

Machs gut

 

Bis dann

 

Mama

 

 

28. März 2009

 

Hallo mein Junge,

 

Ich habe von dir geträumt die letzten beiden Nächte. Jedes Mal warst du aber noch ein kleiner Junge. 3 Jahre alt oder vielleicht auch 5. In Träumen lässt sich vieles so schlecht festlegen.

 

In dem ersten Traum bewegtest du dich in einer riesigen Menschenmenge. Ich kam nicht zu dir hin. Ich hab's auch gar nicht versucht, denn es war klar, dass ich dich unmöglich erreichen könnte. Du schienst aber irgendwie zurecht zu kommen. Ich weiß nur noch, dass ich feststellte, dass ich wieder versäumt hatte dir rechtzeitig die Haare schneiden zu lassen. So wirktest du ein bisschen wie ein Bauernjunge unter lauter Städtern. Aber nicht verloren oder deplaziert, eher wie jemand der es gewohnt ist den Naturgewalten zu trotzen und der jetzt den Kampf gegen den Dschungel der Menschen, der Zivilisation, der Irrungen und Wirrungen des Daseins aufgenommen hat. Überhaupt schienst du in diesem Traum der einzige Akteur zu sein. Alle anderen schoben und drängten nur irgendwo hin und ich ließ mich mit schieben, rückwärts, den Blick immer auf dich gerichtet, während du dich durchschlängeltest. Zwischen Beinen und Körpern hindurch. Du interessiertest dich für nichts und niemanden sondern drängtest nur deinem Ziel entgegen. Allein und verlassen, aber nicht verloren, sondern verbissen und zielstrebig. Du strebtest nicht zu mir hin aber auch nicht von mir weg. Ich spielte keine Rolle sondern war einfach nur Zuschauer. Ein Mensch unter Massen, wenn auch als einziger verkehrt herum.

 

Der Traum letzte Nacht war furchtbar. Ich saß im Haus (welches Haus auch immer) zusammen mit ... der Familie nehm ich mal an. Ich weiß bloß, dass Oma auch noch dabei war. Eine Wand bestand nur aus Fenster und dort stand der Tisch an dem wir saßen. Wir sahen auf ein Stück Rasen und gleich dahinter begann der Wald. Wir tranken Kaffee und aßen Kuchen und dann sah ich dich. Du warst gleich alt wie im Traum am Tag zuvor, trugst auch irgendwie die gleichen Kleider, wenngleich ich sie jetzt nicht farblich bestimmen könnte. Short und T-shirt. Vielleicht träume ich ja schwarz-weiß, keine Ahnung. Und du wurdest von einem riesigen Braunbär bedroht. Du versuchtest einen Baum hoch zu kommen, und ich weiß noch, dass ich dachte "Vielleicht schafft er es ja, dann brauch ich jetzt keine Panik zu verbreiten". Aber der Bär grabschte nach dir und du kamst nicht den Baum hoch. Endlich bin ich aufgesprungen und habe geschrien, dass du in Gefahr bist. Ich habe noch gedacht, dass es gute Gewehre gibt im Haus, hatte aber keine Zeit eins zu holen sondern bin einfach rausgestürmt. Auf dem Rasen fand ich dann ein Gewehr, ein uraltes Ding. Es war nicht geladen. Ich dachte, dass vielleicht schon das Klicken des Abzugs dem Bär Angst machen könnte. Aber es ließ sich auch nicht abdrücken, es war total eingerostet. Alles das stellte ich über dem Laufen fest. Ich konnte sonst nichts tun als schreien, mit dem Gewehr fuchteln und den Bär von dir ablenken. Das gelang auch. Ich drehte mich um und lief zurück zum Haus und der Bär folgte mir. Ich wusste nicht was mit dir war, ich hatte die ganze Zeit nur auf den Bären geachtet. Aber ich lief langsam um dir Gelegenheit zu geben vor mir das sichere Haus zu erreichen, denn wenn ich erstmal da sein würde, müsste ich die Tür zuschlagen um nicht dem Bären Eintritt zu gewähren und uns alle zu gefährden. Ich lief immer langsamer und der Bär kam immer näher. Alles mögliche lief vor mir ins Haus, Menschen, Hunde... nur du nicht. Ich dachte "Warum nimmt denn nicht jemand im Haus eins von den guten Gewehren und tut was? Warum hilft denn keiner? Ich kann doch nicht gleich die Tür zuschlagen und meinen Jungen mit dem Bären allein hier draußen lassen!" Nur noch 2 Meter bis zur Tür. Ich spüre den Atem des Bären im Genick. Und dann ENDLICH fiel ein Schuss. Ich wusste nicht ob der Bär erledigt, ob er überhaupt getroffen war. Es war mir auch egal. Ich ließ mich einfach gegen den Türpfosten fallen und .... wachte auf.

 

Ich bin kein Traumdeuter. Ich erinnere mich auch fast nie an meine Träume. Entweder schlafe ich wie ein Stein und erinnere mich an gar nichts, oder ich liege wach und träume folglich nicht.

  Ich schlafe gut. Allermeistens. Seit September. Seit ich Heinz kennen gelernt habe. Seitdem ist alles anders. Wir werden zusammen ziehen. Bald. Ist das die richtige Entscheiden? Für ihn und für mich? Für uns alle? Gibt es auf eine solche Frage überhaupt eine Antwort?

Es fühlt sich richtig an, mehr kann ich dazu nicht sagen. Beide würden wir uns wünschen es wäre einfacher, leichter und für niemanden mit Schmerz verbunden. Aber gleichzeitig eint uns dieser Punkt auch ganz besonders. Wir wollen beide wirklich niemandem weh tun. Wir wünschen uns, dass es jedem in unserem Gesichtskreis möglichst gut geht und sind bereit dafür unser Möglichstes zu tun. Wie lange habe ich nach einem Menschen gesucht, der so denkt und fühlt?!!! Jemand der es versteht wenn ich Dinge tue, sage oder hinnehme, die mir eigentlich nicht liegen, bloß weil es einem anderen gut tut. Jemand der das nachempfinden kann weil er es genau so tun würde. Jemand der nicht Exklusivrechte einfordert auf Gedeih und Verderb des Drumherum. Jemand der liebt, generell, nicht nur mich. Der mitfühlt, mitdenkt, sich als Teil der Menschheit sieht dessen Handeln und Wirken auch Einfluss hat auf andere.

Er ist wunderbar. Seine Seele ist wunderbar.

Ich habe keine Ahnung ob er gut Rasen mähen kann oder sonstwie "nützlich" ist. Es ist mir auch egal. Gemeinsam werden wir's schon richten. Jeder hat seinen inneren Schweinehund, den es zu überwinden gilt und dabei werden wir uns gegenseitig helfen. Aber seine Seele ist von einer unendlichen Reinheit. Er ist ständig hin und her gerissen zwischen seinen persönlichen Wünschen und dem was der Allgemeinheit gut tut. So wie ich. Ihm ist Liebe wichtig und nicht nur ein angenehmes Beiwerk. Freundschaft, Familie, Partnerschaft sind für ihn Grundbedürfnisse und nicht nur Freizeitbeschäftigungen. Wenn er das Gefühl hat, dass ein Freund seiner bedarf, dann wird er gehen und ihm beistehen. Und ich werde mich nicht einmal anstrengen müssen um das zu verstehen, weil ich genau das einfach wunderbar finde. Auch ich werde mich nicht in ausschweifenden Erklärungen ergehen müssen, wenn ich jemandem helfen möchte, und doch nur auf Verständnislosigkeit stoßen. Für uns beide sind diese Dinge einfach normal. Wir brauchen sie um selbst glücklich sein zu können.

Ja!!! Dass wir zusammen ziehen ist richtig! Vielleicht werden wir Chaos um uns verbreiten. Vielleicht werden wir jemandem unser letztes Hemd geben und dann nackt da stehen. Vielleicht werden wir durch ungeputzte Fenster auf die Welt schauen. Aber wir werden die Welt sehen und nicht die Augen verschließen vor dem was uns umgibt! Und wir werden uns sehen. Uns in die Herzen schauen und dann gemeinsam in die gleiche Richtung blicken. Und unsere Fantasie, unsere Kreativität werden wir ausleben können. Und gemeinsame, endlose Ruhephasen genießen.

Es wäre wunderbar gewesen, Roby, wenn Heinz eher in unser Leben getreten wäre. Vieles hätte anders kommen können.

Aber jetzt ist er da und ich liebe ihn!

Und dich liebe ich auch! Sehr, sehr, sehr mein Junge

Viele, viele Küsse

Deng Mamm