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10. Februar 2006

 

Verdammt noch mal Roby

 

Diese Woche ist gar nichts gegangen. Jetzt ist Freitag Abend. Ich sollte mich über das Wochenende freuen. Statt dessen hocke ich hier am Computer und schlucke meine Tränen schon wieder runter. Hab vorigen Sonntag begonnen das Wohnzimmer zu streichen, wollte es an jedem Abend dieser Woche fertig machen. Aber es geht einfach nicht. Ich habe alles so satt!!!!

Es macht mich so müde, so fertig dieses ständige Kämpfen um ein bischen Normalität. Es kostet mich eine solche fast übermenschliche Anstrengung mich um den täglichen unsinnigen Kleinkram zu kümmern nur um mich durch noch einen Tag zu schleppen.

Ich halte das alles ohne dich nicht aus. Was hat mein Leben, was habe ich denn überhaupt für einen Sinn, wenn es mir nicht mal gelingt mir das Allerwichtigste überhaupt wenigstens zu erhalten, nämlich meine Kinder? Was soll das?

Natürlich hab ich noch zwei. Klar sind die genau so wichtig. Aber von diesem einen bin ich amputiert. Und dieser Schmerz... dieser Schmerz...!!! Wer kann den aushalten?

Ich liebe dich

 

 

10. Februar 2006

 

Ich kann mich heute nicht von deiner Seite trennen. Ich setz dir jetzt mal den Text des Hintergrundliedes dieser Seite hier rein. Ich könnte ihn laut schreien den ganzen Tag:

 

You were once my one companion
You were all that mattered
You were once my spring and summer
Then my world was shattered
 

Wishing you were somehow here again
Wishing you were somehow near
Sometimes it seemed if I just dreamed
Somehow you would be here
 

Wishing I could hear your voice again
Knowing that I never would
Dreaming of you won't help me to do
All that you dreamed I could
 

Passing bells and sculpted angels
Cold and monumental
Seem for you the wrong companions
You were warm and gentle
 

Too many years fighting back tears
Why can't the past just die?
 

Wishing you were somehow here again
Knowing we must say goodbye
Try to forgive, teach me to live
Give me the strength to try
 

No more memories, no more silent tears
No more gazing across the wasted years
Help me say goodbye

 

 

 

 

 

23. Februar 2006

 

Salü Roby

 

Ich weiß jetzt was man alles anstellen muss um an sich selbst zu verzweifeln. Ich habe diese Woche nur absolut hirnrissige Aktionen vom Stapel gelassen.

 

Werde ich langsam verrückt? Ich glaube schon. Ich bin irgendwie am Durchdrehen, merke es selbst, weiß aber nicht wie ich es verhindern soll. Und dann kann man nicht mehr zurück. Wenn ich es wenigstens nur innerlich fühlen würde, wär's ja noch irgendwie egal. Aber ich beginne andere mitrein zu ziehen. Ich könnte mich sowas von ohrfeigen.

 

Am liebsten würde ich mein Handy weg schmeißen und mir den Mund zukleben. Ich bin vollkommen aus dem Gleichgewicht, nicht mehr eins mit mir selbst, habe meine Mitte verloren. Vielleicht sollte ich doch endlich eine Therapie machen.

 

Sag was, verdammt nochmal!!! Kein Mensch redet mit mir!! Ich dreh durch.

 

Ich halte das alles nicht mehr aus.

 

Ich hatte doch mal ein Leben. Das ist so lange her. Ich weiß gar nicht mehr richtig wie das war.

 

Jetzt bin ich nur noch ein Klotz am Bein. Sogar an meinem eigenen.

 

Du kannst nichts dafür, Roby. Das spielt sich alles in mir selbst ab. Ich erzähle es dir nur. Weil mir eh sonst niemand zuhört.

 

Es hat gut getan mit dir zu reden, und irgendwie ist jetzt auch Zeit, dass ich aufhöre mich selbst zu bedauern. Was war, war und was ist, ist. Und komme was da wolle. Ich schaff das schon!!!

 

Riesenbussi, hab dich lieb

 

19. Juni 2006

 

Lieber Roby

 

Morgen werden es 4 Jahre seit ich weiss, dass wir uns nie wieder über die Köpfe anderer hinweg wissend ansehen werden, uns verstehend ganz ohne Worte, wissend was der andere denkt.  Nie wieder wirst du mich von den Wonnen des Pisang Ambon mit Orangensaft zu überzeugen versuchen. Im Andenken an dich trinke ich dieses seltsame süße, fast widerlich grüne Zeug noch heute manchmal, obwohl ich's gar nicht wirklich mag.  Wir werden keinen Joint mehr teilen (an alle Moralapostel die dies jetzt vielleicht lesen: haben wir nur einmal gemacht, und es tut mir nicht leid. Im Gegenteil! Ich wollte ich könnte es wieder tun. Einen Joint mit meinem Jungen teilen. Jetzt und morgen und nächste Woche...) du wirst mir keine Crèpes mehr backen, ich werde dir keine Rezepte mehr ausdrucken... Du wirst mich auch nie mehr wütend machen und ich werde dich nie mehr enttäuschen.

 

Ich ertrinke in meinen geweinten Tränen und ersticke an den noch ungeweinten. So ringe ich nach Luft, nach ein bisschen Luft zum Atmen, ein bisschen Luft zum Leben, zum Überleben, zum Weiterleben...

 

Woran kann ich noch glauben, worauf kann ich noch hoffen wissend, dass mein größter Wunsch, meine größte Sehnsucht sich niemals erfüllen wird.

Ich muss es akzeptieren... aber um zu akzeptieren muss ich resignieren, wenn ich resigniere kann ich nicht mehr kämpfen, wenn ich nicht mehr kämpfe kann ich nicht überleben...

Was für ein Teufelskreis!

 

Ich bring dir gleich Blumen auf's Grab. Hab deinen Namen immer noch nicht auf die Platte schreiben lassen. Ich möchte zuerst, dass du ein eigenes Grab bekommst, aber das ist hier in Echternach ja schon fast unmöglich. Die Blumen sind schön, aber damit ist es auch so eine Sache. Man kann ja nicht die Blumen hinbringen, die dir vielleicht am besten gefallen hätten, sondern die, die pralle Sonne ertragen, nicht 3x täglich gegossen werden müssen, gegen Regen und Hagel immun sind usw.  Also hab ich dir hier das Photo einer Orchidee reingestellt. Ich hab es voriges Jahr in Jakarta selbst geknipst. Schön, nicht?

 

 

 In 4 Wochen fahren wir wieder hin. Alle zusammen diesmal. Geoffrey, Bayu, Oma, Opa und ich. Leider ist dann niemand mehr hier um sich liebevoll um deinen Kater zu kümmern. Das tut mir sehr, sehr leid. Zuerst wollte ich ihn für die Dauer unserer Abwesenheit in eine Tierpension bringen. Ich glaube aber inzwischen, dass das doppelt schlimm für ihn wäre. Er war ja bereits völlig verwahrlost im Tierheim gelandet, kam dann zu dir und war wenige Monate später dein einziger Gefährte während deiner letzten Stunden. Dann kam er zu uns und hat sehr, sehr lange gebraucht um Vertrauen zu fassen. Eigentlich ist  er erst seit 6 Monaten ein richtiges Familienmitglied das uns mag, uns traut und sich auf uns verlässt. Wenn ich ihn jetzt hier fortbrächte, würde er sich furchtbar verstoßen fühlen. Ich werde schon jemanden finden, der täglich kommt, ihn füttert und sein Klo säubert. Ihn auch noch zu kämmen, zu streicheln und ihm Gesellschaft zu leisten, kann ich ja kaum von jemandem erwarten. Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich wollte auch so gerne nochmal mit Geoffrey zusammen sein bevor er auch bald ein eigenständiges Leben anfängt. Und Oma und Opa läuft die Zeit davon, sie kann ich auch nicht einfach auf ein andermal vertrösten. So fahren wir eben alle zusammen. Steh uns bei!

 

Ich hab dich sehr lieb Roby, wenn du kannst, dann hilf uns bitte zu leben.

 

Bis bald

Mama

 

 

30. Januar 2008

 

Hallo Robylein,

 

Wahrscheinlich findest du die Farbe, die ich heute gewählt habe grässlich, aber sie entspricht meiner momentanen Stimmung und die möchte ich dir gerne rüberbringen. Solange ist es jetzt her, dass ich dir nicht mehr geschrieben habe. Aber du weißt, dass ich fast ständig an dich denke und sehr oft mit dir rede. Ich kann jetzt hier auch nicht anderthalb Jahre berichten, sondern werde mich nur auf die groben Züge beschränken.

 

Wir waren zusammen in Jakarta. Wir hatten ein Appartement gemietet im ... na toll, jetzt fällt mir der Name nicht mehr ein - nein nichts zu machen, ich sehe das Logo deutlich vor mir, aber ich kann es nicht lesen. Ist ja auch egal. Dieses Mal tat deine physische Abwesenheit schon etwas weniger weh. Wir sind alte Wege zusammen abgegangen, haben bekannte Orte besucht, waren an der Schule, in Kemang, im Pondok Indah Mall. vieles hat sich sehr verändert. Und dann waren wir bei den Häusern und Orten wo du schon nicht mehr dabei warst. Aber diesmal warst du es. Ich habe deine Nähe gespürt. Ich habe dir alles gezeigt und alles mit dir geteilt was damals nicht möglich war. Der Security Guard in Kemang hat sich an uns erinnert und nach dir gefragt. Wir haben ein Foto von ihm gemacht. Wenn ich es finde, stelle ich es dir hier rein.

 

Ich bin versöhnt nach Hause zurück gekommen. Ja, ich glaube, dass diese Reise sehr zu meiner seelischen Genesung beigetragen hat. Inzwischen war ich zwar auch bei einem Neurologen und habe rosa Pillen gekriegt. Aber das hat, glaube ich, nicht nur was mit dir zu tun. Die hätte ich auch schon viel früher brauchen können.

 

Im Februar letzten Jahres habe ich mir dann 2 Hunde angeschafft. Eigentlich sollte es ja nur einer werden, aber Geoffrey, der ihn in Norddeutschland abgeholt hat, brachte es nicht übers Herz die beiden verbleibenden Welpen zu trennen. So gehört nun eigentlich der Größere namens Taylor ihm, und der Zwerg, Theo, mir. Also so rein theoretisch. Da das Haus klein ist, sollten es auch kleine Hunde sein. Nein, das ist Quatsch. Die Wahrheit ist, Bopa hatte vor vielen, vielen Jahren, noch bevor ich auf der Welt war, einen kleinen Hund, einen Papillon. Er hat ihn sehr geliebt und seinen Verlust nie ganz verwunden. Da ich eh Tiere mag und davon überzeugt bin, dass ihre Gesellschaft mir gut tut, sollte es ein Papillon sein. Für Bopa, für mich, für uns alle. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Bopas Bella wohl eher eine Promenadenmischung war, dennoch lieben beide Bopa und begrüßen ihn bei jedem Besuch heiß und innig. Und Bopa hat sie auch, besonders allerdings den kleinwüchsigen Theo, ganz fest in sein Herz geschlossen. sie ärgern mich häufig, machen jede Menge Unfug und Dreck natürlich, aber es war die absolut richtige Entscheidung die beiden Lümmel anzuschaffen. Du tendierst ja eher zu größeren Exemplaren, ich denke du musst trotzdem zugeben, dass die beiden äußerst niedlich sind.

 

Im  August 2007 haben wir dann erfahren, dass Boma an Leukämie erkrankt ist. ML5. Eine Heilung ist ausgeschlossen. Sie wird wohl bald zu dir kommen. Manchmal denke ich sie schafft es noch 2 Jahre, an anderen Tagen jedoch geht's ihr so schlecht, dass das Ende fast greifbar nahe ist. Wir werden sehen. Du weißt, dass sie dich sehr liebt. Vielleicht mehr als irgendjemand sonst. Es wird schön sein für sie, dir wieder ganz nah sein zu können. Und auch ihre geliebte Mutter und Großmutter wird sie wieder sehen. Na ja, das ist halt der Lauf der Dinge. Die größten Sorgen mache ich mir um Bopa. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie es für ihn sein wird, nach einem ganzen zusammen verbrachten Leben...

 

 

 

Aber jetzt habe ich ein Haus gefunden in Holsthum. Ein ganz besonderes, großes und kuscheliges Haus mit schönem Garten. Ich weiß, das ist MEIN Haus. Darauf habe ich immer gewartet. Ob ich es wirklich kaufen kann, weiß ich noch nicht. Wir denken darüber nach, dass Geoffrey dieses Haus kauft, sodass es in unserer Familie bleibt, und ich dann mit Bayu nach Holsthum ziehe. Dafür bräuchten wir aber etwas finanzielle Unterstützung von den Großeltern. Ist es fair, Geoffrey dieses Haus kaufen zu lassen, wo ich es doch selbst nicht mehr will? Übervorteile ich ihn? Ich wäre dankbar wenn du mir deine Meinung dazu sagen könntest. *seufz* Jedenfalls wäre dort genug Platz für uns alle. Auch Bopa könnte seine ganz privaten Räumlichkeiten haben, falls ihm einmal danach ist. Egal wie er sich selbst im Alter verändern würde, er bräuchte nie in ein Heim. Er hat eine schöne Rente, sodass es sogar im schlimmsten Fall möglich wäre jemanden zu bezahlen, der während ich zur Arbeit bin, den ganzen Tag bei ihm bleibt. Ich möchte dieses Haus sooooooooooo sehr.

 

Heute abend sehen wir es uns noch einmal an. Bayu wird es dann zum ersten Mal sehen. Für ihn würde ein Umzug nach Holsthum natürlich auch eine große Umstellung bedeuten. Er wäre weit weniger flexibel und unabhängig. Aber was soll's? In 3 Monaten wird er 16. Bald ist er flügge, hat einen eigenen Führerschein.... Na ja, und dann wird Geoffrey versuchen sich mit Oma über das Finanzielle zu unterhalten. Bitte halte uns die Daumen. Es klingt vielleicht brutal oder herzlos, aber sie hat das Geld und was um alles in der Welt will sie denn noch damit tun? Ich würde es ihr ja von Herzen gönnen, wenn sie es nützen würde, wenn sie sich damit etwas Gutes täte, wenn Bopa und Boma dadurch ein ausgefüllteres, zufriedeneres Leben hätten. Aber sie hortet es ja nur. Selbst jetzt noch, um 5 vor 12. Sie kanns ja nicht mitnehmen und Geoffrey und natürlich auch mir, würde es so sehr helfen. Selbst ihnen würde es helfen, denn sie verbringen ja doch recht viel Zeit bei mir, und die wäre um vieles angenehmer in jenem Haus. Ganz abgesehn davon, dass es auch die Möglichkeit bietet sie bei Bedarf dort unterzubringen.

 

Ach Roby, du siehst es geht mir sehr viel besser. Ich mache wieder Pläne, blicke in die Zukunft, habe Wünsche und Träume. Ich lebe wieder. Nicht wie früher, nicht mehr so unbeschwert und leicht, aber ich habe mich arrangiert. Du fehlst an allen Ecken und Enden. Deine Meinung fehlt, deine Tatkraft fehlt, dein physischer Einsatz fehlt, dein Oppositionsgeist fehlt, deine Kritik, deine Träume... DU fehlst. Immer und überall. Oh nein, du hast vieles nicht leichter gemacht, das lass dir ruhig mal gesagt sein, aber auch das gehörte zu meinem, zu unserem Leben dazu. Und das ist jetzt nicht mehr da.

 

Ach ja, kurz nachdem wir von Jakarta zurück waren, bekam ich eine Mail von dem Mädchen mit dem du damals immer gespielt hast, bei dem letzten Haus in dem du mit uns wohntest. Sie schrieb, sie hätte gedacht dich  mit deinen Großeltern in der Nähe ihres Hauses gesehen zu haben. Daraufhin hat sie das Internet durchforstet bis sie dann auf diese Seite stieß und hat mich angeschrieben. Sie hatte Bayu gesehen in Jakarta. Bis auf die Nase sieht er dir wirklich verblüffend ähnlich, und die Nase hattest du zu Kinderzeiten ja noch nicht. Ich werde dir ihren Namen schreiben und auch ein Bild von ihr hier reinstellen sobald ich ihr die ausführliche Mail geschrieben habe, die ich ihr versprochen aber niemals geschrieben habe.

 

So, jetzt muss ich los. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Steh uns bitte weiter zur Seite soweit du es vermagst, und lass uns fühlen, dass du unser Leben immer noch teilst.

 

Tausend Küsse

Mama

 

15. September  2008

 

Hallo Robylein,

 

Ich habe dir wieder lange Zeit nicht geschrieben. Tut mir leid aber ich hatte jetzt auch während einiger Monate kein Internet.

 

Leider weisst du ja bestimmt schon, dass Boma dir im Mai nachgefolgt ist. Es ging auf einmal sehr schnell. Zum Schluss war es für sie nur noch eine Erlösung, aber das macht es für uns, vor allem für Bopa natürlich nicht weniger schlimm. Wir haben viele schöne und auch lustige Erinnerungen an sie. Damit trösten wir uns. Aber für Bopa gibt es selbstverständlich keinen rechten Trost. Ich tue was ich kann aber so recht weiss ich auch nicht wie ich ihm helfen soll.

 

Ich habe das Haus gekauft. Im April. Mein Traumhaus!!! Jippiiiieeehhh!!! Und Geoffrey besitzt jetzt unser Haus in Echternach. Er hat bereits eine Menge in und um das Haus geleistet. Neue Fassade außen, frisch gestrichene Wände innen und eine gemütliche Einrichtung ganz in seinem eigenen Stil.

 

 

Und ich liebe dieses Haus. Vor kurzem ist Bopa auch hier eingezogen. So sind wir beide nicht allein.

 

Ach Roby, heute könnte ich die Welt umarmen. Ich hatte gerade ein sooooooooooooooo schönes Wochenende. Mit jemand ganz Besonderem. Er war wunderbar, das Wochenende war wunderbar und jetzt fühle ich mich als sei ich selbst auch ganz wunderbar!!

 

Ich bin zurück, zurück im Leben. Ich fühle, dass ich lebe, atme....

 

Ich küsse dich, mein Junge

Mach's gut

Bis bald (aber es eilt nicht mehr ganz so sehr, lol)

 

Ich hab dich sehr, sehr lieb

 

Mama

 

 

25. November  2008

 

Hallo Roby,

 

Da bin ich wieder. Irgendwie kommt es mir jetzt zum ersten Mal komisch vor dir auf Deutsch zu schreiben. Aber Luxemburgisch schreiben ist nicht so mein Ding und mit einer deutschen Tastatur schon gar nicht. Dir zu schreiben ist überhaupt gerade nicht mehr so einfach. Ich habe nur 6 Leuten von dieser Homepage erzählt, nicht einmal Günter weiß etwas davon. Aber ich habe Reaktionen erhalten auf den letzten Brief, den ich dir geschrieben habe. Freudige Reaktionen. Und das hat mir klar gemacht, dass diese Zeilen gelesen werden. Ich meine, klar wusste ich das auch vorher, ich schreibe ja schließlich öffentlich. Aber es ist eine Sache wenn es einem egal ist von der Welt gelesen zu werden, und eine andere wenn die Welt sich auf ein paar Menschen reduziert.  Wenn "die Welt" plötzlich ein Gesicht hat und Namen.... Aber egal, ich habe beschlossen auf diese Art mit dir zu kommunizieren, und ich werde das jetzt nicht ändern.

 

Ich war in Nürnberg in der ersten Novemberwoche bei dem "ganz Besonderen". Ich hätte dir schreiben sollen einen Tag bevor ich wiederkam. Es wäre eine Steigerung des Briefes vom 15. September geworden. Es war alles absolut perfekt. Nichts, gar nichts hätte irgendwie schöner, besser oder romantischer sein können. Ich war sehr glücklich und habe die paar Tage wirklich genossen. Er war genau wie ich ihn eingeschätzt hatte, einfach wunderbar, und die Woche war ein Traum.

 

Doch dann musste ich zurück. Und dann hatte ich eine Autopanne. Ich möchte dir keine Details erzählen , aber irgendwie rückte diese Panne die Dinge wieder an ihren realen Platz. Nein nicht die Dinge, die Personen! Was geschah war weder unerwartet, noch unverständlich. Es hat mich nicht enttäuscht, nicht geärgert, nicht gewundert. Im Gegenteil, ich habe es vollkommen verstanden und auch akzeptiert. Aber es war ein Gefühl als würde wie im Zeitraffer die ganze Welt von mir abrücken und ich bleibe in der Mitte zurück in völliger Leere.

 

Ich habe es akzeptiert, ja. So wie man eine unheilbare Krankheit akzeptiert weil man eben muss und es nicht ändern kann und es keinen Sinn macht sich gegen das Schicksal aufzulehnen.

 

Und ihm ging es ähnlich. Er stand auf einem Podest. Alles was er bis dahin getan hatte, war perfekt und machte mich glücklich. Und jetzt hatte er das Gefühl von diesem Podest hinunter zu stürzen in die gleiche bodenlose Leere in der auch ich mich gerade befand.

 

Und er denkt sich jetzt wahrscheinlich "Wenn ich nicht da sein kann wenn sie mich braucht, was hält sie dann bei mir." Und ich denke mir: "..." Ja, was denke ich mir eigentlich?

 

Ich denke so viele Dinge gleichzeitig, dass ich sie gar nicht sortiert kriege. Hattest du Tagträume, Roby? Ich meine Träume in denen du dich gezielt in ein völlig anderes Leben geträumt hast? Dir eine Romanze zurecht geträumt hast oder einen tollen Job oder, was weiß ich, du dich als tollkühner Ritter mit Drachen duelliert hast oder sowas halt? Hattest du das? Ich hatte auch schon solche Träume. Sie variieren, aber ein Haupttraum den ich schon seit Kind habe ist irgendwo im Dschungel (wobei der Dschungel direkt an Echternach angrenzt in meinem Traum) ein gut verstecktes, geheimes Baumhaus zu haben. Niemand weiß davon, niemand findet mich da. Wie durch ein Wunder habe ich dort natürlich alles was ich brauche usw. Ich käme allerdings niemals auf die Idee mir wirklich irgendwo diesen geheimen Ort zu schaffen. Ich versuche weitestgehend meine Träume im realen Leben umzusetzen. Mit mäßigem Erfolg, ich geb's ja zu.

 

Aber stell dir mal vor jemand schafft sich diese Traumwelt in echt. Parallel zur realen Welt. Niemand weiß davon. Nicht mal die engsten Freunde. Was sind dann die Figuren die in dieser Welt existieren? In der Parallelwelt meine ich. Figuren, die in der realen Welt nicht auftauchen. Genau wie beim Tagträumen eben. Man wacht auf, geht seiner normalen Tätigkeit nach und sagt ja dann auch nicht zu seinen Kindern oder seinen Arbeitskollegen "Hör mal, ich war gerade im Baumhaus im Dschungel...."

 

Wer oder was sind die Personen die in dieser Parallelwelt agieren? Ich kann mich da nicht reindenken. Vielleicht bin ich zu gradlinig. Oder fantasielos. Ich habe immer getan was ich wollte oder was eben getan werden musste. Je nach Lebenssituation. Aber immer ganz oder gar nicht. Manchmal auch auf Teufel komm raus.

 

Was ist das? Ist das ein Spiel? Und was bin dann ich? Ein Mitspieler? Ein Mitspieler in einem Spiel von dem man nicht mal weiß ob man es wird zu Ende spielen können. Vielleicht ruft ja vorher jemand: "Das Spiel ist aus!"

 

Ach Roby, wahrscheinlich krieg ich meine Tage. Worüber mach ich mir eigentlich Gedanken? Er ist wunderbar, ich liebe ihn und wir verbringen die schönste Zeit meines Lebens zusammen. Also warum nachdenken? Warum an die Zukunft denken? Heute ist heute!

 

Tolle Feststellung, Conny! Heute ist heute und heute bist du allein!

 

Es ist wie in der Bibel: die sieben fetten Jahre und die sieben mageren Jahre. Bloß ein bißchen anders: die sieben fetten Tage und die sieben mageren Wochen. *seufz*

 

Und dann denke ich mir noch, was will er mit jemandem der so weit weg ist? Es läge auf der Hand sich jemanden zu suchen bei dem nicht jedes Mal so viel Zeit vergeht bis die Partie weiter gespielt werden kann. Mit mir verliert er ja mehr Zeit und Nerven mit dem Aufstellen der Figuren als die eigentliche Partie dauert. Und dann hoffe ich, dass ihm diese Gedanken nicht auch kommen. Wie oft liebt man schon? Eigentlich doch fast nie. Sich zu verlieben ist so ein außergewöhnlicher Glücksfall.

 

Und zu lieben ist so wunderschön.

 

Dich liebe ich auch Robylein.

 

Machs gut

 

Bis dann

 

Mama

 

 

28. März 2009

 

Hallo mein Junge,

 

Ich habe von dir geträumt die letzten beiden Nächte. Jedes Mal warst du aber noch ein kleiner Junge. 3 Jahre alt oder vielleicht auch 5. In Träumen lässt sich vieles so schlecht festlegen.

 

In dem ersten Traum bewegtest du dich in einer riesigen Menschenmenge. Ich kam nicht zu dir hin. Ich hab's auch gar nicht versucht, denn es war klar, dass ich dich unmöglich erreichen könnte. Du schienst aber irgendwie zurecht zu kommen. Ich weiß nur noch, dass ich feststellte, dass ich wieder versäumt hatte dir rechtzeitig die Haare schneiden zu lassen. So wirktest du ein bisschen wie ein Bauernjunge unter lauter Städtern. Aber nicht verloren oder deplaziert, eher wie jemand der es gewohnt ist den Naturgewalten zu trotzen und der jetzt den Kampf gegen den Dschungel der Menschen, der Zivilisation, der Irrungen und Wirrungen des Daseins aufgenommen hat. Überhaupt schienst du in diesem Traum der einzige Akteur zu sein. Alle anderen schoben und drängten nur irgendwo hin und ich ließ mich mit schieben, rückwärts, den Blick immer auf dich gerichtet, während du dich durchschlängeltest. Zwischen Beinen und Körpern hindurch. Du interessiertest dich für nichts und niemanden sondern drängtest nur deinem Ziel entgegen. Allein und verlassen, aber nicht verloren, sondern verbissen und zielstrebig. Du strebtest nicht zu mir hin aber auch nicht von mir weg. Ich spielte keine Rolle sondern war einfach nur Zuschauer. Ein Mensch unter Massen, wenn auch als einziger verkehrt herum.

 

Der Traum letzte Nacht war furchtbar. Ich saß im Haus (welches Haus auch immer) zusammen mit ... der Familie nehm ich mal an. Ich weiß bloß, dass Oma auch noch dabei war. Eine Wand bestand nur aus Fenster und dort stand der Tisch an dem wir saßen. Wir sahen auf ein Stück Rasen und gleich dahinter begann der Wald. Wir tranken Kaffee und aßen Kuchen und dann sah ich dich. Du warst gleich alt wie im Traum am Tag zuvor, trugst auch irgendwie die gleichen Kleider, wenngleich ich sie jetzt nicht farblich bestimmen könnte. Short und T-shirt. Vielleicht träume ich ja schwarz-weiß, keine Ahnung. Und du wurdest von einem riesigen Braunbär bedroht. Du versuchtest einen Baum hoch zu kommen, und ich weiß noch, dass ich dachte "Vielleicht schafft er es ja, dann brauch ich jetzt keine Panik zu verbreiten". Aber der Bär grabschte nach dir und du kamst nicht den Baum hoch. Endlich bin ich aufgesprungen und habe geschrien, dass du in Gefahr bist. Ich habe noch gedacht, dass es gute Gewehre gibt im Haus, hatte aber keine Zeit eins zu holen sondern bin einfach rausgestürmt. Auf dem Rasen fand ich dann ein Gewehr, ein uraltes Ding. Es war nicht geladen. Ich dachte, dass vielleicht schon das Klicken des Abzugs dem Bär Angst machen könnte. Aber es ließ sich auch nicht abdrücken, es war total eingerostet. Alles das stellte ich über dem Laufen fest. Ich konnte sonst nichts tun als schreien, mit dem Gewehr fuchteln und den Bär von dir ablenken. Das gelang auch. Ich drehte mich um und lief zurück zum Haus und der Bär folgte mir. Ich wusste nicht was mit dir war, ich hatte die ganze Zeit nur auf den Bären geachtet. Aber ich lief langsam um dir Gelegenheit zu geben vor mir das sichere Haus zu erreichen, denn wenn ich erstmal da sein würde, müsste ich die Tür zuschlagen um nicht dem Bären Eintritt zu gewähren und uns alle zu gefährden. Ich lief immer langsamer und der Bär kam immer näher. Alles mögliche lief vor mir ins Haus, Menschen, Hunde... nur du nicht. Ich dachte "Warum nimmt denn nicht jemand im Haus eins von den guten Gewehren und tut was? Warum hilft denn keiner? Ich kann doch nicht gleich die Tür zuschlagen und meinen Jungen mit dem Bären allein hier draußen lassen!" Nur noch 2 Meter bis zur Tür. Ich spüre den Atem des Bären im Genick. Und dann ENDLICH fiel ein Schuss. Ich wusste nicht ob der Bär erledigt, ob er überhaupt getroffen war. Es war mir auch egal. Ich ließ mich einfach gegen den Türpfosten fallen und .... wachte auf.

 

Ich bin kein Traumdeuter. Ich erinnere mich auch fast nie an meine Träume. Entweder schlafe ich wie ein Stein und erinnere mich an gar nichts, oder ich liege wach und träume folglich nicht.

  Ich schlafe gut. Allermeistens. Seit September. Seit ich Heinz kennen gelernt habe. Seitdem ist alles anders. Wir werden zusammen ziehen. Bald. Ist das die richtige Entscheiden? Für ihn und für mich? Für uns alle? Gibt es auf eine solche Frage überhaupt eine Antwort?

Es fühlt sich richtig an, mehr kann ich dazu nicht sagen. Beide würden wir uns wünschen es wäre einfacher, leichter und für niemanden mit Schmerz verbunden. Aber gleichzeitig eint uns dieser Punkt auch ganz besonders. Wir wollen beide wirklich niemandem weh tun. Wir wünschen uns, dass es jedem in unserem Gesichtskreis möglichst gut geht und sind bereit dafür unser Möglichstes zu tun. Wie lange habe ich nach einem Menschen gesucht, der so denkt und fühlt?!!! Jemand der es versteht wenn ich Dinge tue, sage oder hinnehme, die mir eigentlich nicht liegen, bloß weil es einem anderen gut tut. Jemand der das nachempfinden kann weil er es genau so tun würde. Jemand der nicht Exklusivrechte einfordert auf Gedeih und Verderb des Drumherum. Jemand der liebt, generell, nicht nur mich. Der mitfühlt, mitdenkt, sich als Teil der Menschheit sieht dessen Handeln und Wirken auch Einfluss hat auf andere.

Er ist wunderbar. Seine Seele ist wunderbar.

Ich habe keine Ahnung ob er gut Rasen mähen kann oder sonstwie "nützlich" ist. Es ist mir auch egal. Gemeinsam werden wir's schon richten. Jeder hat seinen inneren Schweinehund, den es zu überwinden gilt und dabei werden wir uns gegenseitig helfen. Aber seine Seele ist von einer unendlichen Reinheit. Er ist ständig hin und her gerissen zwischen seinen persönlichen Wünschen und dem was der Allgemeinheit gut tut. So wie ich. Ihm ist Liebe wichtig und nicht nur ein angenehmes Beiwerk. Freundschaft, Familie, Partnerschaft sind für ihn Grundbedürfnisse und nicht nur Freizeitbeschäftigungen. Wenn er das Gefühl hat, dass ein Freund seiner bedarf, dann wird er gehen und ihm beistehen. Und ich werde mich nicht einmal anstrengen müssen um das zu verstehen, weil ich genau das einfach wunderbar finde. Auch ich werde mich nicht in ausschweifenden Erklärungen ergehen müssen, wenn ich jemandem helfen möchte, und doch nur auf Verständnislosigkeit stoßen. Für uns beide sind diese Dinge einfach normal. Wir brauchen sie um selbst glücklich sein zu können.

Ja!!! Dass wir zusammen ziehen ist richtig! Vielleicht werden wir Chaos um uns verbreiten. Vielleicht werden wir jemandem unser letztes Hemd geben und dann nackt da stehen. Vielleicht werden wir durch ungeputzte Fenster auf die Welt schauen. Aber wir werden die Welt sehen und nicht die Augen verschließen vor dem was uns umgibt! Und wir werden uns sehen. Uns in die Herzen schauen und dann gemeinsam in die gleiche Richtung blicken. Und unsere Fantasie, unsere Kreativität werden wir ausleben können. Und gemeinsame, endlose Ruhephasen genießen.

Es wäre wunderbar gewesen, Roby, wenn Heinz eher in unser Leben getreten wäre. Vieles hätte anders kommen können.

Aber jetzt ist er da und ich liebe ihn!

Und dich liebe ich auch! Sehr, sehr, sehr mein Junge

Viele, viele Küsse

Deng Mamm